22. April 2010

Traum


Träumt ein Traum sich nie zu Ende
Bleibt er dann zwischen meinen Kissen?
Nein, er wird vom Traum zum Wissen -
Fällt von der Stirn mir in die Hände!


21. April 2010

Guten Appetit...


Ein Monolog

Das wirklich nervtötende am Vampirdasein ist der Drang zur Existenz und zwar ohne, dass je ein Ende abzusehen ist. Fast vierhundert Jahre lang zweiundzwanzig sein - Sie können sich nicht vorstellen, wie man sich da nach einer Falte oder einem grauen Haar sehnt.

Ich habe nicht nur alle Vampirbücher gelesen, die in all der Zeit geschrieben wurden, sondern auch jeden Film gesehen. Streifen, in denen von banal bis bluttriefend über das Dasein, denn Leben können wir es ja beim besten Willen nicht nennen, von Vampiren spekuliert wird. Und ich musste mir auch in all den endlosen Jahrhunderten die wahren Vampirgeschichten anhören, welche mir die anderen Vampiere, denen ich im Laufe der Zeit so begegnete, erzählten. Eine endlose Kette von peinlichen Übertreibungen, unglaubwürdigen Prahlereien und heulendem Selbstmitleidsgestammel. Wie gesagt, öde...

Am Anfang, nun ja, ich kann mich zwar fast nicht erinnern, fielen für mich natürlich erst einmal die wirklich kaum erträglichen Zwänge und Regeln weg, denen ein armes Mädchen von 1627 so ausgesetzt war. Der Rausch der Freiheit war unbeschreiblich. Schnell, stark, unbesiegbar, zwei, drei Jahre lang. Dann holte mich der Vampiralltag ein. Ich hatte einiges zu lernen. Wussten Sie, dass wir uns ein ruhiges Plätzchen suchen müssen, wo wir uns verstecken und vor uns hindämmern können? Sehen Sie, das ist fast nicht bekannt...

Wir verkriechen uns und hoffen ungestört zu bleiben. Doch, doch, das ist schon grundsätzlich allein möglich, aber in einer Kolonie lebt es sich sicherer. Also wenn wir leben würden. Na, was soll's!

Es ist heutzutage gar nicht so leicht verlassene Gebäude zu finden, in denen wir unsere Verdauungsschläfchen von etwa dreißig bis vierzig Jahre halten können. Die Sache mit dem Sarg ist also nicht so weit hergeholt. Ich kenne einige, die darauf schwören. Da hat man seine Ruhe und kann bis zum nächsten Appetit gemütlich die Zeit verdösen. Es ist nur sinnvoll sicher zu stellen, dass man dann die kuschelige Gruft auch wieder verlassen kann. Allerdings halten sich auch manche von Zeit zu Zeit aus purer Langeweile in der menschlichen Welt auf. Ich kenne sogar einen der arbeitet.

Haben Sie sich mal gefragt, warum die Vampirhysterie, die sich übrigens heute viel kultivierter ausdrückt als früher, immer mal heftig aufflammt und dann wieder abebbt? Der Grund ist ganz einfach, wir sind nicht immer präsent.

Es gibt Zeiten, da hört und sieht kein Mensch etwas von uns. Mal abgesehen davon, dass es Ecken auf der Welt gibt, wo selbst ein Vampir nicht sein möchte. Wir leben, also vegetieren, in kleinen Gruppen auf allen Kontinenten verstreut und sind somit versetzt, alle zehn bis fünfzehn Jahre für etwa drei Nächte aktiv. Das war's schon! Glauben Sie mir, wenn wir jeden Abend losziehen würden um uns zu „nähren“, hätten wir schon längst die gesamte Weltbevölkerung ausgelöscht und würden selbst elendiglich verhungern, was allerdings streng genommen gar nicht möglich ist, da wir ja leider unsterblich sind.

Ich habe sogar mal geheiratet und ein paar Jahre versucht ein menschliches Dasein zu führen. War gar nicht so schlecht. Aber was soll ich sagen, Menschen!

Gefiel es meinem Mann am Anfang, dass ich mich weder äußerlich und auch in meinem Wesen nicht veränderte, nahm er es, nachdem der Liebesrausch der ersten Jahren verflogen war, kaum noch zur Kenntnis. Ihm fiel nicht einmal auf, dass ich eigentlich keine Nahrung zu mir nahm, was für ihn schließlich eine enorme Ersparnis war. Aber meine ständige Schläfrigkeit und die daraus resultierende Vernachlässigen des Haushalts, führten zwischen uns von anfänglichen Reibereien zu einem immerwährenden Stress.

In unseren Ruhephasen sind wir Vampire nun mal nur mäßig nachtaktiv und am Tag sogar ausgesprochen phlegmatisch, das konnte ich halt nicht ändern. Irgendwann nahm er sich eine Geliebte. Ich war richtig froh, als die vierunddreißig Jahre meines Zyklus endlich um waren und ich mich auf meine Weise aus dieser Ehe befreien konnte. Nie habe ich weniger unter meinem Fluch gelitten, als nach der Erfahrung.

Die Geschichte mit dem Tierblut ist übrigens auch Nonsens. Schließlich sind Vampire verfluchte Wesen und der Ursprungsfluch bestand darin, dass wir Menschen aussaugen müssen. Eine Zwangshandlung und eine inhumane noch dazu, für die es keine Therapie gibt. Und Sie können davon ausgehen, dass in der Vergangenheit und bis heute, Alle alles, aber auch wirklich alles, versucht haben, um diesem ungerechten Schicksal zu entgehen. Aber, das ist ja der Sinn eines solchen Fluches, es gibt kein Entrinnen und keine Erlösung. Natürlich kann man uns auch endgültig vernichten, aber auch diese Regeln sind sehr eng gefasst. Erstens kann kein Vampir einen anderen erledigen, keiner weiß warum, aber es geht nicht. Und zweitens ist es ganz einfach uns zu eliminieren... aber glauben Sie nur nicht, ich würde es Ihnen jetzt und hier verraten...

Ach, ja! Zeitlos, endlos! Manchmal wüsche ich mir, ich könnte mich dem Träumen hingeben. Aber wir haben schon mit dem Erinnern Probleme. Im Gegensatz zu den Menschen vergessen wir die schönen Momente, die wir durchaus auch haben können, jedoch die unangenehmen, grausamen, albtraumartigen verstärken sich. Das ist nicht lustig, das können Sie mir glauben...

...was heißt hier, ich solle Sie nicht zu Tode quatschen! Ich wollte nur höflich sein. Ihnen erklären Warum und Wieso! Aber wenn Sie das nicht interessiert, können wir ja jetzt zum Du übergehen, darf ich bitten...

... ah, das war sehr gut! Vielleicht hätte ich ihm doch sagen sollen, wie simpel es ist, einem Vampir zu entgehen und ihn dabei zu vernichten, dann hätte mein ödes Dasein auch ein Ende gehabt. Denn wie gesagt, es ist ganz leicht. Selbst wenn er oder sie noch so verführerisch daher kommt, einfach nur „Nein!“ sagen...

Fingerübung aus dem gnadenlosen Zyklus Merkwürdige Geschichten 
Stephanie Gogolin, März 2010

Test

... obwohl im Titel Prosa steht, setze ich auch hier und da Gereimtes, vielleicht sogar Ungereimtes dazwischen...


Manchmal...

Manchmal komm ich außer Atem

wenn ich mit Worten malen will
Mich jagt dann gnadenlos die Zeit
so sehr ich's wünsch
sie steht nicht still
Die Worte mir entschlüpfen schnell
kaum dass ich sie erdacht
und ich sie an vorangegangenen
sorgsam fest gemacht
Eh ich das Bild beschreiben kann
das sich in meinem Inn'ren formt
sind Stimmen da
es klappen Türen
Der Alltag hat mich eingeholt!




Schreibwerkstatt 1992 - lang ist's her