26. August 2010

noch ein Gedicht...


Kein Wort an Kain

Du bist Deines Bruders Hüter!

Und auch im Neid
erschlägst Du ihn nicht.
Du beschützt ihn!
Du vergibst ihm!

Weil Du,
eben nicht sein Bruder,
sondern seine Schwester bist.




Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg Januar 2008 

22. August 2010

Der alleinerziehende Gottvater

Eine Glosse von Stephanie Ursula Gogolin

Um die Menschheit aus ihrer Sündigkeit zu erretten, schickte Gottvater seinen einzigen Sohn, als Erlöser in die politisch aufgewühlte Welt der Antike. 

Die Römer machten sich gerade rund um das Mittelmeer breit, das hellenistische Niveau war immer noch die damalige Leitkultur, das Pharaonenreich ging endgültig seinem Niedergang entgegen und den Germanen und Kelten war man auch bereits auf die Füße getreten. Überall rangen Völker um ihre Autonomie und in diesen Macht- und Kulturkämpfen, die auf und neben der politischen Bühne tobten, verloren die Frauen der damaligen Zeit immer mehr ihre Freiheit, ihre Würde und ihre Heiligkeit.

Was oder wen sollte Jesus denn eigentlich retten? Was war seine Mission? Wie lautete sein Auftrag? - Ach ja: „ Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ Ein harter Job und ein gefährliches Unterfangen, wie wir wissen. Arbeit für einen erwachsenen, wortgewandten Mann. Aber zuerst, so schnell ist nun Gottes Plan auch nicht umgesetzt, war der Messias, wie alle Männer, ein Kind.
Und wie wuchs der kleine Jesus auf? 

Richtig - in der Obhut einer menschlichen Mutter! Was hatte der Junge für ein Glück. Es gab auch einen Pflegevater, dem die Bibel einen guten Leumund bescheinigt. Wahrscheinlich hatte der kleine Erlöser sogar Geschwister. Er genoss jedenfalls die Geborgenheit und den Schutz einer damaligen Familie vom Lande. 

Den spärlichen Angaben zufolge wird der junge Jesus, wie wir es heute nennen würden, ein hochbegabtes Kind gewesen sein. Einer von dem Großes zu erwarten ist. Jedoch in einem Staat, der sich im kulturellen Umbruch befindet, mit einer Besatzungsmacht im Land und intriganten politischen Verhältnissen, ist es nicht einfach göttliche Visionen zu verwirklichen. Da wird auch der einfache Wunsch nach Freiheit oder erträglichen Lebensbedingungen schnell zur Lebensgefahr.

Nichtsdestotrotz hat der inzwischen vom alttestamentarischen zum christlichen Gott mutierte Übervater nachträglich den zweifelhaften ideologischen Verdienst eingeheimst, der Menschheit die Gelegenheit gegeben zu haben, von der Sünde, die sie angeblich seit der Sache mit Eva und dem Apfel mit sich herumgeschleppten, erlöst zu werden.
 

Die weltlichen Katastrophen, die Jesus zu seinen Lebzeiten durchstehen musste, wurden plötzlich zu Gottes weitsichtiger Zielsetzung. Sollte jedoch hinter der Opferrolle des Sohnes tatsächlich ein Plan des Vater gestanden haben,dann bin ich froh, nicht mit ihm verwandt zu sein.

Mit Ach und Krach kommt also die Mutter des Messias in den Evangelien vor, die Großmütter spielen schon keine Rolle mehr. Bei der Geburt des kleinen Jesus im Stall wurde auch noch auf fatale Weise die Mutter mit der Magd verwechslt und der Einfachheit halber die Bezeichnung gleich für alle Mütter beibehalten, mit der Auflage, sich ab jetzt gehorchend und hingebungsvoll als Dienerin am Sohne des Vaters, des Herrn, zu präsentieren.


Die Idee das Kind nur vorübergehend in weibliche Obhut gegeben, hat auch sofort Schule gemacht. Maria betreute also ihren Sohn bis Gottvater die Zeit für die Vollendung der Mission gekommen sah. Das kennen wir ja, die Verfügungsgewalt des Vaters bzw. der Vätergemeinschaft bedeutet durch die Zeiten hindurch immer wieder, dass sie ihre Kinder in Tod und Verderben schicken dürfen.


Oder gab es diesen hinterhältigen „Heils“Plan vielleicht gar nicht? 

Und es war alles ganz anders und Jesus war sozusagen doch der letzte Sohn der verlorenen matriarchalen Verhältnisse? Diverse TheologInnen erkennen schon lange die weiblichen Werte in den Lehren des Jesus und deuten die christliche Lehre gern mal als den Auftakt in ein neues Zeitalter. Die weniger optimistischen sehen darin den Niedergang der weiblichen Ära.

Nun ja, da Gott seinen einzigen Sohn für die Sünden der Welt am Kreuz geopfert hat und zuvor eine Heirat mit einer menschlichen Frau völlig indiskutabel war, sind auch keine Nachkommen überliefert. Es sei, es kam doch irgendwie zum Sakrileg, doch das wissen wir nicht genau.
 

So gilt zwar Gott immer als Vater, zum Groß(en)Vater hat er es nicht gebracht. Vielleicht ist das die Strafe dafür, dass er sich als Gott der Väter über Seine Mutter erhoben und sie ignoriert und verleugnete...



gekürzte Fassung, Lüneburg, 2007

17. August 2010

Weil wir grad bei den Hexen sind...

Pantun II

Fahre zur Hölle Hexe
In deinem Kessel kocht der Tod
Doch Hel erwartet ihre Töchter
Ihr wisst nicht was ihr tut

In deinem Kessel kocht der Tod
Der Sturm zerschlägt die Ernte
Ihr wisst nicht was ihr tut
und auf euch liegt des Blutes Fluch

Der Sturm zerschlägt die Ernte
Das Vieh zugrunde geht
und auf euch liegt des Blutes Fluch
Reißt aus die Hexenkräuter

Das Vieh zugrunde geht
Vernichtet sie und ihren Spruch
Reißt aus die Hexenkräuter
Mit Kreuz und Fackel ziehet aus

Vernichtet sie und ihren Spruch
Dass Pest und Hagel mag vergehen
Mit Kreuz und Fackel ziehet aus
So mag sie in den Flammen stehen

Dass Pest und Hagel mag vergehen
Fahre zur Hölle Hexe
So mag sie in den Flammen stehen   
Doch Hel erwartet ihre Töchter


Stephanie Ursula Gogolin, Juli 2005
 

... ein Pantun ist eine, aus Indonesien (oder ist es malaiischen Ursprungs) stammende lyrische Form (frau kann es bei Interesse googlen), die vor allem vorgetragen wird. In dem Verlauf wiederholen sich alle Zeilen einmal nach einem vorgegebenen Schema und der Beginn bildet auch den Abschluss. Es gibt verschiedene Längen und es muss sich auch nicht zwingend reimen ... ich habe das mal im Literaturatelier im Bonner Frauenmuseum ausprobiert und hatte eine entsprechende Vorlage ... lang ist es her! 


Mehr zum Thema Hexen beim Waschweib

10. August 2010

Ich war ein kleines Mädchen


Ich war ein kleines Mädchen, geboren zwischen warmen Händen und weichen Fellen, denn draußen war es bitter kalt.

Ich war ein kleines Mädchen und die Frauen, die meine Mutter umringten, sangen und lachten zu meinen ersten Atemzügen. Ich wurde aufgehoben und in die rauen Hände einer Frau gelegt, die über mein Gesicht leckte und in mein Ohr flüsterte: Danke kleine Ahnin, dass du zu uns kamst…

Während all die hilfreichen Hände die junge Frau, die meine Mutter war, umsorgten, bettete mich meine Großmutter zwischen ihre üppigen Brüste und ich sog tief den mütterlichen Geruch ein. Eine der jungen Frauen, die am Eingang hockten, schlug ein wenig die Häute zur Seite. Ein heller Streifen fiel auf mich und so erblickte ich das Licht der Welt!


Noch wusste ich nicht, dass mein Name „Kleine Sonne“, nicht nur meinen Geburtszeitpunkt bezeichnete, sondern mir auch einen besonderen Platz in der Sippe bescheren würde. Geboren in der Nacht und in den Tag hinein, da das große Licht wieder aufs Neue aus der Dunkelheit zurückkehrte und die Mütter das Leben feierten….


Ich wuchs heran – zwischen den Schwestern und Brüdern meiner Sippe, mit dem wilden Wasser, den geduldigen Steinen und den Bäumen, die mich liebten.


An diesem Wohnplatz lebte die Sippe schon sehr lange. Auch meine Mutter hatte ihre ganze Lebenszeit hier verbracht. Sie kannte jede Pflanze und jedes Tier, das mit uns das Lager teilte. Sie nährte mich und meine Schwestern spielten mit mir. Meine Großmutter jedoch wachte über uns alle.


Ich wurde größer. Schon früh kannte ich die Lieder unserer Sippe. Ich hörte sie, während ich einschlief und sang sie, wenn ich morgens erwachte und mit den Geschwistern zum Waldrand lief. Ich flocht aus Binsen die Körbchen, die wir zum Sammeln brauchten und für die Schwestern Bänder mit Blumen und Steinen.


Außer meinen geschickten Fingern, besaß ich auch besonders klare Augen. Fand ich doch meist die schönsten Steine für unseren Kreis, den wir unter dem Felsüberhang auslegten. Dort versammelten wir Kinder uns am Abend um dem Sagen der Großmutter zu lauschen. Meine Tage als kleine Frau gingen dahin in Geborgenheit und Spielen und Lachen. Die Mütter, die Muhmen, zeigten mir das Brennen von Ton und das Bearbeiten von Häuten. Die Mütter der Mütter lehrten uns das Erkennen der grünen Schwestern, welche wir als Nahrung annehmen konnten und welche uns Heilung brachten. Und unser Mutterbruder lehrte mich zu fischen und einen Speer zu werfen.


Bald hatte ich auch genug Kraft die Steine zu ritzen. Für Heller Mond, einen meiner Brüder, der schneller lief als alle in der Sippe, schlug ich aus einem der gefundenen Steine sein Totem, einen Hasen. Und für Weiße Eule fertige ich einen Eulenstein. Es war leicht am Strand die Formen zu finden. Sie
sprangen mir fast von selbst in die Hand. Mit wenigen Schlägen oder längerem Riefen verwandelte ich sie in in Amulette für die Meinen. Sie nannten mich die Schnitzerin der Steine. Die Ahninnen begleiteten meine Suche und mein Tun... 


eine Medivision
© von Stephanie Ursula Gogolin


ein Fund aus der Sammlung meiner Freundin Nelly
 

5. August 2010

Freundinnen

… ein wenig sitzen
ein bisschen Ruhe
Gedanken springen
zum Morgen zurück

Das Telefon läutet

heraus tropfen Tränen
entschlossener Wut
denn meine Freundin
trennt sich
von ihrem Mann!

Sie trennt sich und wütet

Sie richtet und rechtet
Sie ist bereit den
gemeinsamen Alltag
zu den Akten zulegen
und die letzten Gespräche
in die Tonne zu treten!
Romantik will sie
im Antikmarkt verkaufen!
Gemeinsamkeiten bei
ebay versteigern,
Sie will das bisherige
Leben verweigern
und endlich alles
ab heute verändern!

Ich höre ihr zu

Ich weiß wie sie leidet

und nächste Woche
spricht sie
nicht mehr davon! 

1. August 2010

Satire die Vierte


Mein Briefkasten

Jeden Mittag ist es für mich ein besonderes Highlight erwartungsvoll die Treppe hinunter zu meinen Briefkasten zu gehen. Aber nicht nur die Aussicht auf frohe Kunde treibt mich an, es ist auch unbedingt notwendig den winzigen Postkasten regelmäßig zu leeren. Wirkliche Post bekomme ich ja höchst selten. Wer schreibt schon noch bei den günstigen Telefontarifen oder der fixen Möglichkeit eine Email zu versenden. Trotzdem ist das Behältnis, welches der Fernkommunikation dient, fast täglich brechend voll.


Die Briefkästen in unserem Haus stammen noch aus der Zeit, da sie in erster Linie nette kleine Briefumschläge, vielleicht auch eine dünne Tageszeitung beherbergen mussten. Umschläge in B4größe erfand man wohl erst später. Dementsprechend spärlich ist ihr Aufnahmevolumen. In unserem Haus gibt es trotz acht Mietparteien übrigens nicht eine Tageszeitungsabonnementin. Ich vermute mal, das hat auch etwas mit dem Format einer klassischen Tageszeitung zu tun, ich wüsste auch nicht wo in meiner Wohnung ich sie komplett aufschlagen könnte.

Trotzdem braucht der durchschnittliche Tageszeitungsnichtabonnent auf wichtige Informationen über Land und Leute, Gott und die Welt, Fug und Recht, nicht zu verzichten. Jede Gemeinde, jeder Landkreis, von größeren Städten ganz zu schweigen, besitzt mindestens ein Wochenblatt, das kostenlos und unaufgefordert ins Haus kommt.


Da gibt es beispielsweise den „Geschäftsanzeiger“ und den „Stadtboten“, die „Landpost“ und den Pfarrbrief, die „AnzeigenTafel“ und der „Ortskundige“, den „Ausblick“ und den „Einblick“!


Kiloweise Papier, schwarz-weiß und farbig und fünfundachtzig Prozent davon fliegt ungelesen in den Altpapiercontainer (laut Statistik des Bundesamtes für Baum- und Leserschutz). Aber erst einmal werden diese gewaltigen Papiermassen Woche für Woche und Tag für Tag auf die Briefkästen der nach Information und Unterhaltung lechzenden Bevölkerung verteilt.

Acht schmale Öffnungen untereinander, dekoriert mit der geballten Ladung an Neuigkeiten, zieren die Front neben unserer Haustür. Meist hängt die brachial hinein gestopfte Zeitungsrolle, welche aus ein wenig lokaler Information, dem Immobilienteil, gedruckten Werbebotschaften und zu dreiviertel aus eingelegten Prospekten besteht, hälftig außen aus dem schlanken Briefschlitz. Wenn der Wind ungünstig steht, ist das Papier bei Regenwetter auch schon mal nass und wird zu einem lustigen bunten Klumpen Pappmache.

Natürlich habe ich auch schon überlegt,
mir eines dieser neckischen Klebeschildchen zu besorgen: BITTE KEINE WERBUNG; vielleicht sogar das, mit der Abbildung eines drohenden fletschenden Säbelzahntigers. Aber das würde auch nicht die Beilagen in den Wochenblättern verhindern. Außerdem bekäme ich dann auch nicht mehr den Prospekt von „Kaufmich“. Nicht das mir die Angebote dort wirklich fehlen würden, ich gehe da eh nur hin, um ab und zu meine Dose „Cappuccino ungesüßt“ zu kaufen. Aber in dem Prospekt ist nicht nur jede Woche ein Rätsel auf der letzten Seite, nein, neuerdings auch eines von diesen Sudoku – Kästchen. Ich bin süchtig nach Sudoku.

Ab September sind die Werbebotschaften auch immer ganz besonders prächtig gestaltet um uns liebevoll aufs Weihnachtsfest einzustimmen. Es ist stets beeindruckend, die rot und golden, zuckersüßen Sinnlosigkeiten in all ihrer Vielfalt jedes Jahr aufs Neue angeboten zu bekommen, nur mit dem Unterschied, dass der Endverbrauchen mehr dafür bezahlt, als die Jahre zuvor. Die Botschaften besagen natürlich das Gegenteil. Und auch wenn der Kunde es gern glaubt, so ein kleiner bohrender Gedanke der Skepsis bleibt. All die Beteuerungen: „Nichts weiter als billig“, „Fast kein Preis“ und „Ungeheuer - niemals teuer“ oder suggestive Schmeicheleien wie „Sei klug im Nu und Greife zu“, kommen immer wieder recht massiv daher um die Kundschaft kollektiv zu becircen. Und auch mir fällt gelegentlich die Entscheidung schwer. Gehe ich lieber zur Einkaufsgruppe „Trallala“ oder zu „Hopsasa“ oder gar zum familienfreundlichen Supermarkt „happyfamily“, die Butter kostet überall das gleiche.

Von Zeit zu Zeit jedoch liegt auch ein echter Brief in dem flachen Fach. Also ich meine einen persönlichen, von einem anderen Menschen exklusiv für mich verfasst. Keine Rechnung oder so ein hochwichtiges Schreiben von Lotteriebetreibern oder eine Einladungen zur Eröffnung des neuen Friseurs um die Ecke oder gar zum Adventkonzert im Senioren – Treff. Nein, ein Umschlag mit handgeschriebener Adresse und richtiger Briefmarke und keinem seelenlosen Stempel in der Ecke.

Der besagte Brief kommt dann meist von meiner Freundin Inge, die ein bisschen JWD (janz weit draußen) wohnt. Sie hat aus Prinzip kein Telefon (man muss nicht ständig erreichbar sein) und aus religiösen Gründen keinen Computer (Teufelswerk). Ihre Korrespondenz mit der Außenwelt holt sie sich einmal die Woche bei der nächsten Postfiliale ab und selbstredend kommt auch kein noch so gut meinender Prospekteausträger bis zu ihr raus.

Heute war es wieder soweit, in meinem Briefkasten, eingeklemmt zwischen vielen bunten Seiten und dem freundlichen Angebot der Kreti - Pleti – Bank meine überflüssigen Millionen zu veruntreu…, äh zu verwalten, lag doch tatsächlich ein handadressierter Brief in meinem zierlichen Kommunikationsaufnahmebehälter.

Erfreut endlich wieder etwas von meiner lieben Freundin Inge zuhören, öffnete ich noch im Treppenhaus den Umschlag. Und was teilt sie mir mit? Ich möchte doch mal bitte im neuen Rinaldi – Prospekt nach sehen, ob es in der nächsten Woche die preiswerten Computer gibt – ach was! Sie wolle sich jetzt doch so einen Zauberkasten zulegen und dann kann sie auch endlich Emails verschicken und wir würden viel öfter von einander hören bzw. lesen.

Schade, dann werde ich wohl gar keinen persönlichen Brief mehr bekommen!


aus der Reihe: Meine kleine Wohnung
Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg, November 2007