30. November 2010

Ich habe neulich...


Ich habe neulich Frau Holle gesehen, sie kam aus dem Wald ...
nein, nicht das Mützchen voll Schnee. Auch heuer gibt es noch keinen Schnee!
 
Und Mützchen konnte man die mächtige Haube der Hohen Frau auch nicht gerade nennen. Mit ihren ausladenen Röcken nahm sie fast den ganzen Gehweg ein. Ja, sie war schon eine prächtige Erscheinung. Ich staunte nicht schlecht, dass sie einfach so in ihrer Allgewaltigkeit durch unsere Dorfstraße lief. 
Neugierig wie ich nun mal bin, schlenderte ich so unauffällig wie möglich, hinter ihr her - kann es sein, dass sie auch heute von Zeit zu Zeit die Menschen besucht? In die Fenster schaut, verlorene Kinder anspricht, vergeblich den Dorfbrunnen sucht und auch sonst keinen täglichen Frauentreffpunkt mehr findet? 
Das kleine Cafe in der Bäckerei an der Ecke, schien ihr Ziel zu sein und so folgte ich ihr dahin. Der Raum war vormittäglich leer. Ein  Banker von nebenan, vertiefte sich in eine Zeitung und zwei ältere Damen rührten Süßstoff in ihre Tassen. Frau Holle suchte sich einen netten Fensterplatz und beobachtete die vorbei fahrenden Autos.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und mit einem „Darf ich“, setzte ich mich zu ihr an den Tisch. Überflüssig zu sagen, dass mir das Herz bis zum Halse klopfte.
„Einen Cappuccino bitte“, rief die holde Frau mit gewaltiger Stimme zur Kuchentheke hinüber, wo die vor sich hin sortierende Verkäuferin leicht zusammenzuckte und alle anderen verstört aufblickten.
Den Cappuccino bekam ich dann vorgesetzt, weil die Bedienung SIE einfach nicht gesehen hat...



Stephanie Ursula Gogolin, Troisdorf 2006, überarb. 2010

27. November 2010

... und noch mal!

Um das Thema abzuschließen, noch eine Geschichte aus dem Zyklus: Meine kleine Wohnung!

Mein Weihnachtsbaum

Einmal im Advent gebe ich mir den Weihnachtsmarktrausch. 


Nur Sehen, Hören, Riechen. Die große Tanne vor dem Rathaus, blitzende Lichter, den Geruch von gebrannten Mandeln, Berge von Holzspielzeug, bunte Buden, Weihnachtslieder und Glühweinduft in der Luft - lieblich, friedlich, verkaufsfördernd. Ich bummele von Stand zu Stand und komme mir vor wie in einer Zeitschleife. Denke an Kindertage oder daran, dass die Kulisse um mich herum im vorigen Jahr haargenau so aussah. 

Am Brunnen, mitten auf dem Marktplatz steht der unvermeidliche Käfig mit den grünen Weihnachtsgaranten, eingesperrt, gezähmt und gezüchtet für das Fest der Liebe. Einem der Grünlinge war scheinbar die Flucht gelungen. Er stand außerhalb der hohen Umzäunung, hielt ein Schild in den Zweigen und schien die vorbeiflanierenden oder hastenden Weihnachtmarktbesucher anzuflehen: Holt mich hier raus!

Seit zehn Jahren hatte ich mich der Weihnachtsbaum - Aufstell - Tradition verweigert und nun dieser rührende Anblick. Ich glaubte ein leises Schluchzen zu hören. Nachdem erneut eine eilige, tütenbewehrte Weihnachtsfrau den Kleinen fast umgerannt hätte, betrat ich kurz entschlossen mit dem Bäumchen in der Hand den Gefängnishof, holte tief Luft und fragte: Was soll er denn kosten? - Steht doch dran, meine Dame, Zehn Euro!

Für diesen Winzling zehn Euro, ein stolzer Preis! Mein Mitgefühl siegte, der Baum kam ins Netz und ich hatte das Problem meinen Weihnachtsbummel vorzeitig abzubrechen zu müssen. Mit einem Bäumchen unter dem Arm die Geschäfte betreten, das ging ja gar nicht. Und dabei brauchte ich noch dies und das, das und jenes! Da muss ich in den nächsten Tagen wohl noch einmal los ins bunte Glitzer – Kitsch – Getümmel. Während des Heimwegs fiel mir dann noch ein Problem ein. Wohin mit dem kleinen Weihnachtsfreund?

Schreibtisch fällt aus! Nadeln und Kerzenwachs in der Tastatur sind nicht zu empfehlen.


In die Nischen neben dem Fernseher? Da bekomme ich die Schranktür nicht mehr auf.

Ich könnte ein Brett über die Badewanne legen und den Baum darauf stellen, ich bade eh nie und beim Duschen wird er dann schön befeuchtet und die Brandgefahr gemildert. Ob mein Baumschmuck das allerdings überlebt? Ein Dilemma. Da habe ich nun den Kleinen aus dem Getümmel befreit und weiß nicht wohin damit.

Halt, das stimmt ja gar nicht! Meine Zimmerpflanzen hatte ich vor dem ersten Frost gerade noch rechtzeitig vom Balkon gerettet (daher gibt es in meiner Miniwohnung auch absolut keinen freien Platz mehr) aber der Weihnachtsbonsai wird sich dort wohlfühlen. Aus dem Netz erlöst, breitet er dankbar seine Zweige aus und schmiegte sich an meinen Wäschetrockner, ich hörte ihn regelrecht aufatmen. Hier wird es ihm gefallen und sicher findet er es auch gut, dass die Kohlmeisen regelmäßig zum Frühstücken kommen.

Bei meinem Umzugsgut befindet sich schon seit Jahren mein Weihnachtsfundus, eine kleine Holzkiste. Sie enthält kostbare Überbleibsel aus der Zeit, da ich noch mit meinen Kindern zusammen gelebt und die ich aufgehoben habe, obwohl der typische Weihnachtswahnsinn mich schon lange kaum mehr berührt. Vergoldete Holzsterne, die kleinen, Posaune blasenden Blechengel, die ganz alten, bunten Kugeln oder die filigranen, gläsernen Schneekristalle. Ein paar gebastelte Raritäten, wie Zwerge und Engelchen aus Nüssen, Filz und Goldpapier und die Spieluhr in Glockenform. Leider enthält die Kiste keinen Baumständer und so hatte ich noch ein Problem.


Mit Eimer und Schäufelchen bewaffnet (Sandspielzeug, das ein paar der Enkelchen bei mir deponiert hatten), schlich ich mich im Dunkel, also später Nachmittag, zum Garagenfeld (lustig, ein Feld, auf dem Garagen wachsen). Da steht eine große Kiste mit Streusand. Die Winter waren bisher eher knauserig mit Schnee und Glatteis, da wird keiner die rauen Krümel vermissen und ich kann den geklauten Sand ja irgendwann wieder aussetzen.


Jetzt steht er auf dem Balkon, mein Weihnachtsbaum! In einem großen Blumentopf mit Sand gefüllt, auf dem kleinen Tischchen direkt vor meinem Fenster. Ich habe ein paar Meisenringe und Strohsterne aufgehängt und keine Lichterkette. In jedem Vorgarten rundum protzen ohnehin mindestens zwei der Strom verzehrenden, entzückend anzusehenden Dekorationen.

An Weihnachten bin ich übrigens gar nicht zu Hause - Besuch bei den Töchtern. Ich glaube die Ruhe wird dem Bäumchen gut tun!


Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg 24. Dezember 2007 

 

26. November 2010

Merkwürdige Geschichten

aus dem Zyklus: Meine kleine Wohnung!


Es weihnachtet sehr!

Ich mag die Adventszeit und natürlich auch Weihnachten!

Im Treppenhaus hängt bereits seit Tagen die Einladung für die Senioren zum Adventskonzert in Sankt Adebar. Frau Rüstig hat ihren Türkranz gewechselt und neulich zog ein Hauch von Plätzchenduft durchs Haus.

Und eines schönen Morgens war die Wiese vor meinem Balkon und die Dächer der gegenüberliegenden Häuser weiß und über Nacht die Heizung ausgefallen. Ob die beiden Ereignisse ursächlich zusammen hingen, war nicht zu ergründen. Zu allem Überfluss handelte es sich um einem Sonntagmorgen.

Im Haus war es mäuschenstill. Ein völlig ungewohntes Erlebnis. Sie werden doch nicht alle erfroren sein? Kaum vorstellbar bei Null Grad, der Puderzuckerschnee draußen begann bereits zu tauen.

Ich zitterte ins Bad, benutzte zum Zähneputzen entgegen aller Gewohnheit warmes Wasser, dann verpasste ich mir einen Zwiebellook (sieben Kleidungsstücke übereinander). Ich wärmte mich an meiner Kaffeetasse auf und beobachtete den Mann von gegenüber beim gewissenhaften Anbringen einer Lichterkette im Rhododendronbusch, aber richtig warm wurde mir davon auch nicht.

Dann ging ich auf Erkundungstour. Bestimmt hatten diverse Mitbewohnerinnen bereits Frau Schrap – Nehle informiert und so bleibt mir der Anruf bei unser gefürchteten Hauswirtin erspart, obwohl, wenn alle erfroren…, Unsinn! 


Die Nachbarin nebenan stellte grundsätzlich ihre Klingel ab. Sie möchte nicht durch Mitbewohnerinnen oder Nichtigkeiten belästigt werden. Auf Klopfen reagiert sie allergisch. Auf mein verschiedentlich zaghaftes Klingeln öffnete nur Frau Rüstig, die anderen hatten sich vielleicht in diverse Notunterkünfte begeben oder einfach nur die Decke über den Kopf gezogen.

Frau Rüstig versicherte mir, dass Hilfe unterwegs sein und die Innentemperatur im Laufe des Tages in den Wohnungen ansteigen würde. Der Notdienst arbeitete bereits daran. Sie hatte schon im Morgengrauen mit Frau Schrap – Nehle telefoniert und saß nun zuversichtlich in ihrer molligen Decke vor dem Fernsehgerät.

Was tun? Draußen waren die gefühlten Temperaturen höher als in meiner Wohnung und so beschloss ich einen Gang ins Wohngebiet zu unternehmen. In einem der Vorgärten zankten sich ein paar Meisen mit den selten gewordenen Spatzen um den Inhalt eines winzigen Futterhäuschens, während ein dicker Kater begehrlich auf die leichtsinnigen Piepmätze schielte. Ich schlenderte zwischen den Wohnblöcken und Einfamilienhäuschen umher und atmete tief durch. Dort über dem Zaun hingen immer noch ein paar Rosen und in den Fenster die erste liebliche Weihnachtsdekoration. Vor Haustür gegenüber war der ausgehöhlte Kürbis einem beleuchteten Schneemann gewichen und auf der anderen Seite hing am Balkon tatsächlich schon so ein mannsgroßer Nikolaus mit Sack und roter Zipfelmütze. Vielleicht war es aber auch ein geschickt verkleideter Einbrecher, der die Gelegenheit nutzte, dass die Heizungen ausgefallen sind und die Bewohner im Kälteschlaf lagen.

Doch dann fiel mir auf, trotz Sonntagvormittag waren erstaunlich viele Leute unterwegs. Scheinbar waren viele Wohnungen kalt. Es wurden immer mehr! Bis mir dann klar wurde, das sind keine Spaziergänger oder Wohnungsflüchter, die da der Innenstadt entgegen strebten, sondern potentielle Weihnachtsmarktbesucher. Ich geriet einen kurzen Moment in Versuchung mich ihnen anzuschließen. Aber nein, damit warte ich noch ein paar Tage, das muss ich ja nun nicht wirklich schon Ende November haben und dass wird doch heute nicht der einzige winterliche Morgen gewesen sein. Denn mal ehrlich, so ein Weihnachtsmarkt macht mit einem Hauch von richtigem Schnee einfach mehr Spaß…


Stephanie Gogolin, Lüneburg, November 2007

14. November 2010

13. November 2010

Das Lied der Stille



Das Lied der Stille
ist ein Lied ohne Ton
und klang Augenblicke
lang in meinem Raum,
getrennt vom Dröhnen
und lärmender Qual.
Es singt nicht
und schwingt nicht,
selbst wenn ich es will.
Es steht ruhig und mächtig
und still!

Und so wünscht ich mir
mehr und mehr
Nichts zu hören!

Doch wirkliche Stille
ist leicht zu verstören
Ich kann dieses lautlose
Lied nicht halten
Das zwischen Ewigkeiten geboren!
Zermahlen im Alltag
geht es verloren
Weil ihm ein jeder 
die Existenz verwehrt!
Dem Lied der Stille
das kaum einer hört



... für alle, die sich ab und zu nach Ruhe sehnen, 
Stille geniessen können und der Lautlosigkeit huldigen...