27. November 2012

Schrecken in der City

- Für eine bestimmte Freundin -

Da hatte ich frohgemut das Haus verlassen, um jetzt festzustellen, dass sich der Einkaufsbummel in der großen Stadt scheinbar schwieriger gestaltete, als ich es mir dachte. Erstens brauchte ich nicht wirklich etwas und wollte nur mal gucken. Zweitens lag die Liste mit den Geschenkideen zu Hause und drittens kannte ich mich hier nicht aus. Ich stellte mich daher erst einmal mitten in die Fußgängerzone zwischen alle die flanierenden oder vorbeistürzenden Einkaufswilligen, um mich einzustimmen und zu orientieren. Schließlich wollte ich auch wieder zurück finden - daher musste ich mir die Stelle gut merken, an der die Treppe in den Untergrund führt zu den fast lautlosen Zügen, die mit mir nach hoffentlich fröhlichen zwei Stunden wieder zurückgleiten würden.

Danach betrat ich erwartungsvoll den weihnachtlich geschmückten Konsumtempel zu meiner Linken - Schuhe, in alle Farben und alle mit wahnsinnig hohe Absätze, so dass mir bei der Vorstellung darauf laufen zu müssen, gleich schwindlig wurde, da ich unter extremer Höhenangst leide. Eilig verließ ich das Geschäft.

In einem anderen Laden funkelte kostbarer Schmuck in fein dekorierten Schaufenstern und in der Edelboutique daneben trugen lasziv drein blickende Plastikmodels sündhaft teure Mäntel. Zwischen den Geschäften für das gehobene Klientel reihten sich eine bekannte Filiale der einschlägigen Ketten nach der anderen. Eigentlich war es wie zu Hause in der kleinen Stadt - die gleichen Läden, hier nur eine Nummer größer und teurer. 

Fast schon gelangweilt betrat ich eines der Kaufhäuser. Üppige Dekorationen und ein auf die Jahreszeit abgestimmtes Sortiment bot sich heiter dar. Die lieblich klingende Weihnachtsmusik stimmte die Kundschaft mild und kauffreudig. Eine zierliche junge Frau trat mir in den Weg: „Kann ich Ihnen weiter helfen?“ Ihre Stimme zischte ein wenig und ihre grünen Reptilienaugen glitzerten verführerisch. Wie gebannt starrte ich zurück: „Kalender...“ sagte ich „...ich suche Kalender!“

Ihr maskenartiges Lächeln spiegelte sich in einer der riesigen Christbaumkugeln, die überall herunter hingen und flink wie eine Eidechse huschte sie vor mir her. Mechanisch folgte ich ihr. Und als wäre sie mein persönliche Betreuung führte sie mich von Abteilung zu Abteilung - die bunten Tüten in meiner Hand mehrten sich. Wie in Trance stolperte ich hinter ihr her und je nach Beleuchtung schimmerte ihr Haut grünlich oder bekam einen leichten Silberton. Ich konnte ihr nicht entrinnen. Immer wenn ich ihr gerade sagen wollte, dass ich nun genug hätte, unterbreitete sie mir einen neuen tollen Vorschlag oder zog einen Gegenstand aus dem Regal, den ich mir schon immer gewünscht hatte. Zwischendurch hypnotisierte sie mich mit diesen bunten Glitzerdingen für den Adventsstrauß, die sie vor meinen Augen hin und her baumeln ließ. Endlos schleppte sie mich durch die Gänge und Auslagen.

Der Kaufrausch wurde je unterbrochen, als an der Kasse im obersten Stockwerk eine andere Kundin mit drei Plüschtieren im Arm meine Begleiterin ansprach. Rasch nutzte ich die Gelegenheit, ließ das teure Spielzeug fallen, dass ich gerade im Begriff war zu bezahlen und mit einem: „Danke ich habe jetzt alles!“ quetsche ich mich schnell in einen der Fahrstühle zwischen einen Pulk von Menschen. Zumindest hoffte ich, dass es Menschen waren. Da jedoch alle mit noch mehr bunten Tüten beladen waren als ich und völlig entrückt vor sich hin starrten, löste sich meine Paralyse langsam auf. 

Dafür machte sich jetzt eine leichte Panik breit - hatte mich nicht erst neulich meine Freundin, die immer auf dem neusten Stand ist, vor der bereits erfolgten Invasion pandimensionaler Reptilien gewarnt...? 

Erschrocken und erschöpft stieg ich in die U-Bahn, presste die Masse meiner völlig überflüssigen Einkäufe an mich und versuchte auf meinem Eckplatz durchzuatmen. „Fahrscheinkontrolle! Darf ich Ihren Fahrtausweis sehen?“ Ein biegsamer junger Mann, dessen Hände mit seltsam schuppiger Haut bedeckt war, hielt mir eine Plastikkarte vor die Nase.

Verzweifelt blickte ich in die senkrechten Schlitze der kalt schimmernden Augen und durchsuchte meine Taschen nach dem Fahrschein. Dabei hallte es in meinem Kopf wider: Wir können ihnen nicht entkommen... sie sind bereits überall...!



Fingerübung von Stephanie Ursula Gogolin

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