16. August 2013

Yin und Yang

Yin und Yang

„Komm zum Frühstück, Yang! Hörst du, ... Frühstück ist fertig.“

Mutter Yin gähnte, sie war etwas müde heute Morgen... es war eine lange, wilde Nacht gewesen.

Bis zum Sonnenaufgang hatten sie mit den Frauen auf der Waldlichtung hinter dem Dorf getanzt, den berauschende Trank aus dem blanken Kessel getrunken, die alten Lieder für die Dunkle Göttin der Frauen gesungen.

Die jungen und alten Mütter des Dorfes feierten einmal im Jahr das große Mondfest. In jenen Nächten wurden die uralten Geheimnisse des Glücks an die jungen Frauen weitergereicht. Träume offenbart, Schmerzen gewandelt, Leiden dem Feuer übergeben. Kein Mann war zu diesen Festen zugelassen, selbst nicht so ein kleiner wie Yang.

„Wo warst du in der Nacht, Mutter Yin?“

„Mit den Müttern in der Anderen, der Dunklen Welt - der Welt der Mondfrau, wie immer um diese Zeit des Jahres.“, sagte sie leise und geheimnisvoll.

„Des Nacht ist es finster und gruselig. Hast du keine Angst?“

„Was wäre ich für eine Mutter, wenn ich des Nachts Angst hätte?“, lachte Yin. Sie strich ihrem Kind über Kopf: „...und mit all den anderen Müttern bin ich nie allein!“

„Ich finde die Sonne schöner, als die bleiche Mondmutter. Manchmal sieht man nur in kleines Stück von ihr, als hätte die Sonne ein Stück abgebissen.“ Yang hielt seiner Mutter sein Schälchen hin und Yin füllte es wieder auf.

„Ob wir sie sehen oder nicht, die Mondfrau ist immer da. Ohne den Mond gäbe es kein Leben auf der Erde! Doch nun geh hinaus, die anderen warten schon! Spiel mit ihnen in der Sonne. Das Licht ist gut für deine Kraft und deine Knochen.“

Der kleine Yang stopfte sich den letzten Bissen morgendlichen Breis in seinen immer hungrigen Mund, während er seiner Mutter zusah und ihrem leisen Singen lauschte. Er dachte über Yins Worte nach.

„Ich glaube, ich bin nur ein Kind der Sonne - aber du kennst sie alle, die Sonne, die Sterne, den Mond. Auch die finstere Nacht, meine liebe Mondmutter!“, lachte der kleine Yang. Sein Breischälchen zur Seite schiebend, stürmte er zur Tür hinaus.

Yin sah ihrem Sohn nachsichtig hinterher: „...das hast du richtig erkannt, mein Kind!“


... eine Medivision von Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg Januar 2012