10. August 2010

Ich war ein kleines Mädchen


Ich war ein kleines Mädchen, geboren zwischen warmen Händen und weichen Fellen, denn draußen war es bitter kalt.

Ich war ein kleines Mädchen und die Frauen, die meine Mutter umringten, sangen und lachten zu meinen ersten Atemzügen. Ich wurde aufgehoben und in die rauen Hände einer Frau gelegt, die über mein Gesicht leckte und in mein Ohr flüsterte: Danke kleine Ahnin, dass du zu uns kamst…

Während all die hilfreichen Hände die junge Frau, die meine Mutter war, umsorgten, bettete mich meine Großmutter zwischen ihre üppigen Brüste und ich sog tief den mütterlichen Geruch ein. Eine der jungen Frauen, die am Eingang hockten, schlug ein wenig die Häute zur Seite. Ein heller Streifen fiel auf mich und so erblickte ich das Licht der Welt!


Noch wusste ich nicht, dass mein Name „Kleine Sonne“, nicht nur meinen Geburtszeitpunkt bezeichnete, sondern mir auch einen besonderen Platz in der Sippe bescheren würde. Geboren in der Nacht und in den Tag hinein, da das große Licht wieder aufs Neue aus der Dunkelheit zurückkehrte und die Mütter das Leben feierten….


Ich wuchs heran – zwischen den Schwestern und Brüdern meiner Sippe, mit dem wilden Wasser, den geduldigen Steinen und den Bäumen, die mich liebten.


An diesem Wohnplatz lebte die Sippe schon sehr lange. Auch meine Mutter hatte ihre ganze Lebenszeit hier verbracht. Sie kannte jede Pflanze und jedes Tier, das mit uns das Lager teilte. Sie nährte mich und meine Schwestern spielten mit mir. Meine Großmutter jedoch wachte über uns alle.


Ich wurde größer. Schon früh kannte ich die Lieder unserer Sippe. Ich hörte sie, während ich einschlief und sang sie, wenn ich morgens erwachte und mit den Geschwistern zum Waldrand lief. Ich flocht aus Binsen die Körbchen, die wir zum Sammeln brauchten und für die Schwestern Bänder mit Blumen und Steinen.


Außer meinen geschickten Fingern, besaß ich auch besonders klare Augen. Fand ich doch meist die schönsten Steine für unseren Kreis, den wir unter dem Felsüberhang auslegten. Dort versammelten wir Kinder uns am Abend um dem Sagen der Großmutter zu lauschen. Meine Tage als kleine Frau gingen dahin in Geborgenheit und Spielen und Lachen. Die Mütter, die Muhmen, zeigten mir das Brennen von Ton und das Bearbeiten von Häuten. Die Mütter der Mütter lehrten uns das Erkennen der grünen Schwestern, welche wir als Nahrung annehmen konnten und welche uns Heilung brachten. Und unser Mutterbruder lehrte mich zu fischen und einen Speer zu werfen.


Bald hatte ich auch genug Kraft die Steine zu ritzen. Für Heller Mond, einen meiner Brüder, der schneller lief als alle in der Sippe, schlug ich aus einem der gefundenen Steine sein Totem, einen Hasen. Und für Weiße Eule fertige ich einen Eulenstein. Es war leicht am Strand die Formen zu finden. Sie
sprangen mir fast von selbst in die Hand. Mit wenigen Schlägen oder längerem Riefen verwandelte ich sie in in Amulette für die Meinen. Sie nannten mich die Schnitzerin der Steine. Die Ahninnen begleiteten meine Suche und mein Tun... 


eine Medivision
© von Stephanie Ursula Gogolin


ein Fund aus der Sammlung meiner Freundin Nelly
 

4 Kommentare:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Eine wirklich wundervolle Geschichte....so kann es gewesen sein.....
Wie war das? Alles ist möglich.
Sei ganz lieb gegrüßt
Rosi

paulina-amalia hat gesagt…

...ich liebe deine geschichten!
du hast so eine wunderbare art, zu erzählen - die nimmt einen mit auf die reise...

liebe grüße
karin
(die sich nur mal bedanken möchte!)

Stephanie hat gesagt…

...ich danke euch!

Stephanie

birgit hat gesagt…

ach
wunderbar
mir ist als wäre ich dabei gewesen
lg birgit