21. Juli 2010

Satire die Dritte

Mittagspause

… behutsam trage ich meinen Teller in die Küche Den Tisch habe ich gleich nach dem Kochen vorsichtshalber mit einem weichen Frotteehandtuch ausgelegt und darauf stelle ich andächtig das Geschirr ab. Verflixt, die Gabel kommt ins Rutschen und …im letzten Moment kann ich den drohenden Zwischenfall, in Form eines durchdringenden Schepperns auf den Küchenfliesen, verhindern. Abwasch? Später! Den abgestürzten Grieß aufsaugen - später! Den penetranten Ohrwurm vor mich hin pfeifen – später! Auf weichen Socken verlasse ich die Küche.


Plötzlich erfüllt ein ohrenbetäubendes Dröhnen und Rattern in der Luft. Der Fußboden bebt und das Badfenster klirrt. Ich sprinte zum Balkon – nein, es sind keine Invasionstruppen und auch kein Abrissbagger am Nachbarhaus. Es ist nur der Rasenmähermann!


Der nette ältere Herr, der den so genannten Hausmeisterposten innehat, rückt den, eh schon kurzen Grashalmen, nachdrücklich zu Leibe. Stolz zieht er auf einem dieser niedlichen Kleintrecker, die die Rasenareale kurz halten, seine Runden um das Haus und fährt geschickt auf der großen Grünfläche vor unseren Balkons auf und ab. So was dauert natürlich. Ich werfe einen Blick auf die Uhr, tatsächlich: Dreizehn Uhr Fünfundvierzig.


Jede die schon mal in einem Mietshaus wohnte, weiß was das heißt! MITTAGSRUHE! Mag es sonst Tag und Nacht munter zugehen in unserem Bienenstock, es gibt eine Ausnahme, die Mittagszeit.


Mit meinem Nachtisch in der Hand (Magermilchjoghurt) lehne mich auf die Balkonbrüstung und harre des Unterhaltungsprogramms, das jetzt gleich beginnen wird.


Die Ouvertüre: In den Häusern gegenüber werden empört nachdrücklich einige Terrassentüren und Fenster geschlossen!


Erster Akt: Die Balkontüren in unserem Haus öffnen sich! Von unten weht Zigarettenrauch nach oben.
„Dass ist doch jedes Mal dasselbe“, dringt jetzt eine scharfe Stimme zu mir herauf.

Ich nicke heftig, kann aber den Mund nicht öffnen, da ich gerade einen großen Löffel Magermilchjoghurt, … na ja was hätte ich auch sagen sollen.


Von links kommt die resolute Kampfansage: „Ich rufe jetzt sofort Frau Schrap – Nehle an, das ist mir ganz egal, ob Mittagszeit oder nicht!“


Von mehreren Seiten Zustimmung und Beifall. Die anderen haben sich inzwischen auch eingefunden.


Eine zaghafte Stimme kommt von nebenan: „Wir können ihr ja am Mittwoch Bescheid sagen.“


(Mittwoch hat die Hausvermieterin von 6.30 bis 11.00 Uhr Sprechzeiten. Sie gehört zu der „Morgenstund hat Gold im Mund“ – Fraktion. Jedenfalls traf mich bei meinem letzten Vorsprechen wegen der nicht funktionstüchtigen Steckdosen, ein vernichtender Blick und die spitze Bemerkung, dass sie jetzt nicht mehr viel Zeit hätte, da sie gleich anfangen müsste zu kochen. Es war bereits Viertel vor Elf, als ich an ihrer Tür schellte)


Die Resolute machte der Zaghaften jedoch klar, dass ein so eklatanter Verstoß gegen die heilige Mittagsruhe die Höchststrafe nach sich ziehen musste und tippte ohne hin zu gucken demonstrativ die Nummer ein. Offensichtlich kannte sie diese im Schlaf. 

 
Zweiter Akt: Unter den giftigen Blicken der versammelten Damen auf ihren Balkonen (außer der geheimnisvollen von links oben) tuckerte der ahnungslose Hausmeister weiter auf und ab, die kleinen Obstbäume dabei elegant umfahrend.

Da, er hält an. Nachdem er umständlich seinen Sitz verlassen hat, kramt er bedächtig das Handy aus der Tasche. Sich ein Ohr zuhaltend, (der Rasenmäher ist so laut) entfernt sich der geplagte Hausmeister von seinem ratternden Gerät und versucht nach einer Weile des Zuhörens seinen Standpunkt nachdrücklich gestikulierend dem Teilnehmer am anderen Ende der Verbindung klar zu machen - die Menge blickt triumphierend bis schadenfroh. Er murrt und knurrt ins Telefon, aber ganz offensichtlich übermittelt Frau Schrap – Nehle dem uneinsichtigen Angestellten den gesamten Unmut der Mieterschar und er knickt ein!


Dritter Akt: Sichtlich verstimmt und ohne uns eines Blickes zu würdigen, schlurft er zu seinem Treckerchen, klettert hinauf und lenkt es bedächtig, aber geschickt an die Seite, dann stellt er endlich die kleine Höllenmaschine ab.


Zufriedenes Gemurmel und allgemeiner Rückzug. Düster vor sich hin starrend lehnt unser aller Hausmeister an seinem Arbeitsgerät und raucht mürrische eine Zigarette.


Ich bringe mein Magermilchjoghurtbecherchen in die Küche und erfreut über Vogelgezwitscher und dem leisen Klingen des Windspiels auf meinem Balkon, setze ich mich an den Schreibtisch. Ach, diese angenehme Mittagsruhe. Ich nehme den Stift in die Hand und …


Finale: ... ein durchdringendes Dröhnen verkündet: Es ist fünfzehn Uhr. Die Mittagszeit ist um!
 

Aber irgendwie geht es doch auch ums Prinzip, oder?


aus der Reihe: Meine kleine Wohnung
Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg, Oktober 2007
 
 

2 Kommentare:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Das ist bestimmt nicht nur eine Geschichte. Stimm´s?
Ja, diese täglichen Storry´s um Lärmendes und Menschliches......
Bei uns geht auch schon den halben Tag der Preßlufthammer und den anderen halben die Holsägen oder Rasenmäher....der Nachteil am Sommer.....
Schöne Geschichte liebe Stephanie.
Sei ganz lieb gegrüßt
Rosi

Sica hat gesagt…

Wenn bei uns der Rasen gemäht wird, mache ich auch die Tür zu, weil es dann nämlich nach Benzin stinkt...

Ansonsten denke ich nicht, dass man sich gross über den Lärm eines Rasenmähers aufregen sollte, weil das nämlich niemals sehr lange dauert...

Viel schlimmer war es, als in unserem Haus über mir eine leerstehende Wohnung "renoviert" wurde. Das war dann nicht nur einfacher Krach, sondern vier Wochen lang ein Höllenlärm, weil praktisch alles erneuert wurde, Wände rausgestemmt, die Küche komplett erneuert, die Kacheln im Bad rausgehauen...usf.

Ich selbst hätte ja tagsüber weggehen können, konnte aber meine armen Nagetiere doch nicht mitnehmen und die waren ständig draussen, weil sie bei dem Höllenlärm nicht schlafen konnte...

LG