16. Juli 2010

Satire die Zweite

Putzig

… haben Sie schon mal in einem Mietshaus mit sieben anderen Frauen zusammen gewohnt?


Also nicht etwa als Familie oder WG. Nein, jede ordentlich in ihrer Wohnung, mehr oder weniger kontaktfreudig und wie es so schön heißt: Alleinstehend.


Wenn frau in ein Haus einzuziehen gedenkt und beim Betreten des Hauses links an der Wand von der umfangreichen Hausordnung begrüßt wird, sollte sie die Wohnungsbesichtigung besser sein lassen. Aber auch hier war meine Blauäugigkeit nicht zu überbieten.

Jedenfalls reichte selbst der pingeligste Zug meiner Jungfrauennatur nicht aus, um mich für die kahle Fleckenlosigkeit des Treppenaufgangs oder der Gemeinschaftsräume in unserem Mietshaus zu begeistern. (Diverse verstaubte Türkränze, welche die unterschiedlichsten Anlässe repräsentierten, mal ausgenommen)


Frauen sind, wie wir alle wissen, hierzulande selbstverständlich sehr reinlich. An einer pedantischen Sternzeichendisposition allein oder an diversen Schulungen durch Ikea– und ähnlichen Katalogen kann es auch nicht liegen. Da Frauen eine wesentlich höhere Sauberkeitsschwelle als Männer haben und oft so überhaupt keine Schmutztoleranz besitzen, müssen sie noch anderen tief greifenden Prägungen in frühster Kindheit ausgesetzt worden sein. Oder besitzen sie gar ein Reinlichkeitsgen?


Wenn in einem Haushalt, neben Mutter und Vater nicht gerade drei Kinder oder mehr leben, ist der durchschnittliche deutsche Haushalt sauber, aufgeräumt und atmet mitunter hygienische Keimfreiheit. Die Haushalte mit drei Kindern und mehr, sind inzwischen ja eher selten geworden. Ob es wohl zu dem Problem bereits Untersuchungen gibt, demzufolge ein kausaler Zusammenhang zwischen Reinlichkeit und Kinderlosigkeit…, aber dieses heikles Thema schiebe ich lieber auf.

 

Als ehemalige amtierende Mutter und jetzige Großmutter on tour, kenne ich mich zwar aus im Putzuniversum, aber ich dachte auch, allein wohnen hat so seine Vorteile. Ich mache kaum Dreck, also hält sich das Beseitigen desselben in Grenzen und ich habe daher Zeit. Viel Zeit, zum Schreiben, zum Lesen, zum Internetsurfen und anderen lautlosen Tätigkeiten.

Natürlich habe ich meine Rechnung ohne die vielen fleißigen Hausfrauen gemacht, die auch in einer vierzig Quadratmeter großen Wohnung eine erfüllende Lebensaufgabe sehen und nebenbei einen gewissen kollektiven Druck auf jede andere Hausmitbewohnerin ausüben. War früher die Farbe Rot in meinem Kalender den wichtigen Terminen, wie Zahnarzt oder Friseur vorbehalten, signalisiert sie mir jetzt ausschließlich den Zeitraum, in dem ich mich der Hausordnung zu widmen habe. 


Da sind zwei große Fenster zu putzen, Treppengeländer und Ränder zu entstauben und nachzuwischen, die Stufen und Treppenabsätze gründlich zu reinigen und zu polieren. Mit reichlich Gerätschaften und Putzmitteln ausgestattet, halte ich mich dann mehrere Stunden im Treppenhaus auf. Gelegentlich nehme ich dafür extra einen Tag frei, wenn ich am Samstag etwas vorhabe. Denn am Sonntag wird der Hausaufgang natürlich nicht geputzt, aber die Aktivitäten in den übrigen Miniwohnungen sind trotzdem gewaltig, irgendein Küchengerät läuft immer.

An einem ganz gewöhnlichen Wochentag fängt zum Beispiel die ohnehin Nachtaktive über mir, in der Regel morgens ab sechs Uhr, zu putzen an. Sie kennt keine Gnade und kein Ausschlafen. Selbst am Sonntag nicht, da kann es aber schon mal sieben werden. Etwa 6.30 Uhr beginnt meine Nachbarin zur Rechten mit ihren ausgiebigen Reinigungsritualen. Ich vermute mal, als Großabnehmerin hat sie bei den Wasserwerken einen separaten Vertrag mit Sonderkonditionen. Während über meinen Balkon, dessen Tür ich listig früh geöffnet habe um die frische Morgenluft hereinzulassen, gegen Acht die ersten Rauchschwaden von Räucherstäbchen (Patschuli) vermischt mit Zigarettenduft hereinziehen, fallen unten die ersten Türen lautstark ins Schloss.


Hatte ich schon erwähnt, dass wir zwar ein blitzblankes, aber dafür lautes Haus sind?


Die nicht berufstätigen Damen gehen einkaufen, die berufstätigen verlassen das Haus eine halbe Stunde später. Jetzt wird die Geheimnisvolle von oben links aktiv. Man bekommt sie zwar quasi nicht zu sehen, aber ab und zu etwas zu hören. So das Übliche, ein bisschen Staubsaugen, gelegentliches Möbelrücken, leises Plätschern vom Blumengießen auf dem Balkon, dann wird die Waschmaschine angestellt.


Und so schlurfe ich täglich vor Tag und Tau unausgeschlafen ins Bad zum Zähnegeputzten, um mir dann, mit halbgeöffneten Augen und zitternden Händen, die erste Tasse Kaffee zuzubereiten. Während ich noch dabei vom Fenster aus die Müllabfuhr beobachte, donnert bereits der erste Besen gegen die Küchenwand, die ans Treppenhaus grenzt. Die nette Grauhaarige von gegenüber habe ich ohnehin schwer in Verdacht, die Treppe in der Woche, in der sie dran ist, mehrmals zu putzen.


Mein Besenschrank jedenfalls ist inzwischen besser sortiert, als mein Kleiderschrank und für biologisch abbaubare Reinigungsmittel bin ich mittlerweile Expertin. Doch bevor ich hier weiter schreibe, werde ich erst mal das neue antistatische Putztuch an Tastatur und Monitor ausprobieren… 



 aus der Reihe: Meine kleine Wohnung
Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg, September 2007

1 Kommentar:

birgit hat gesagt…

ich machs immer heimlich ein bisschen luschig
diese neuen wischlappen an den klappstielen sind sehr hilfreich für alles in einer runde
es geht mir wohl ab
das gen
das putzige