30. November 2010

Ich habe neulich...


Ich habe neulich Frau Holle gesehen, sie kam aus dem Wald ...
nein, nicht das Mützchen voll Schnee. Auch heuer gibt es noch keinen Schnee!
 
Und Mützchen konnte man die mächtige Haube der Hohen Frau auch nicht gerade nennen. Mit ihren ausladenen Röcken nahm sie fast den ganzen Gehweg ein. Ja, sie war schon eine prächtige Erscheinung. Ich staunte nicht schlecht, dass sie einfach so in ihrer Allgewaltigkeit durch unsere Dorfstraße lief. 
Neugierig wie ich nun mal bin, schlenderte ich so unauffällig wie möglich, hinter ihr her - kann es sein, dass sie auch heute von Zeit zu Zeit die Menschen besucht? In die Fenster schaut, verlorene Kinder anspricht, vergeblich den Dorfbrunnen sucht und auch sonst keinen täglichen Frauentreffpunkt mehr findet? 
Das kleine Cafe in der Bäckerei an der Ecke, schien ihr Ziel zu sein und so folgte ich ihr dahin. Der Raum war vormittäglich leer. Ein  Banker von nebenan, vertiefte sich in eine Zeitung und zwei ältere Damen rührten Süßstoff in ihre Tassen. Frau Holle suchte sich einen netten Fensterplatz und beobachtete die vorbei fahrenden Autos.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und mit einem „Darf ich“, setzte ich mich zu ihr an den Tisch. Überflüssig zu sagen, dass mir das Herz bis zum Halse klopfte.
„Einen Cappuccino bitte“, rief die holde Frau mit gewaltiger Stimme zur Kuchentheke hinüber, wo die vor sich hin sortierende Verkäuferin leicht zusammenzuckte und alle anderen verstört aufblickten.
Den Cappuccino bekam ich dann vorgesetzt, weil die Bedienung SIE einfach nicht gesehen hat...



Stephanie Ursula Gogolin, Troisdorf 2006, überarb. 2010

4 Kommentare:

birgit hat gesagt…

habe heute mit einer taxifahrerin über die percht gesprochen
sie hat gelacht
und mich wahrscheinlich für merkwürdig gehalten
ja kann sein dass die anderen sie nicht sehen können
so schade
aber vielleicht kommen andere zeiten...

Stephanie hat gesagt…

... Göttin ist mir direkt gesagt, auch zu anonym. Ich spreche Frau Holle (oder Perchta oder Frau Gode, Frau Herke oder Erke, Frigga oder Frau Muhme, Trulle, Trude, Sälde...)
persönlich an...

die anderen Zeiten sind schon angebrochen

;-) Stephanie

birgit hat gesagt…

mir geht immer noch die geschichte mit der dreizehnten fee nach
nachts wenn ich wach liege
tags wenn ich meine gedanken wandern lasse...

Stephanie hat gesagt…

freut mich, dass ich eine nachhaltige Geschichte verfasst habe...

ich wollte immer mal mit anderen Märchen weiter machen...
LG Stephanie